monochrom's Johannes Grenzfurthner, der HR Giger des Multitasking, muss der einzige Mensch von der Welt sein, der, wenn er eine Veröffentlichung anzupreisen hat, von selbiger sagen würde: „Es ist eigentlich keine Greatest Hits weil die greatest hits sind gar nicht oben“.
Warum das so ist, und vor allem warum die Compilation Carefully Selected Moments trotzdem eine der wichtigsten Platten von der Welt ist (schon wieder), und was monochrom so macht, das haben wir mit den Grenz bei einem Becher Ami-Chai am Kroatensonntag ("von den ganzen Karos krieg' ich ja Kopfweh") erörtert.
Lese:
Carefully
Selected Moments stellt so etwas wie eine monochrom’sche Werkschau der
letzten 15 Jahre dar, ist das richtig?
Es ist eine
semi-greatest hits, weil unsere größten Hits aus Copyright-Gründen nicht auf
die Platte durften. Vor allem in der Frühphase haben wir die altbewährte Kulturtechnik
angewandt, einfach ein Lied zu nehmen und einen neuen Text zu schreiben. „Ich
will Planwirtschaft“ ist zum Beispiel eine MIDI-Version von „I love
Rock’n’Roll“, und der britische Rechteinhaber hätte das OK dazu geben müssen.
Hat er aber nicht, ist wohl nicht sein Ding da eine -- zwar polyvalent lesbare,
aber immerhin -- Hymne auf die Planwirtschaft gut zu heißen. Die
österreichische Sachbearbeiterin hat sich das Lied aber gleich auf den privaten
MP3-Stick gezogen. Immerhin.
Eigentlich
sind die Sachen die auf CD und LP zu finden sind zum Teil auch schon
veröffentlicht – vor allem die Lieder aus unserem Musical Udo 77. Aber sind
entweder Neuinterpretationen oder gar Ur-Interpretationen; in der Art, wie wir
sie eigentlich immer haben wollten.
Es ist
also eine aktuelle Platte..
Ja, alle
Lieder wurden 2007 und 2008 aufgenommen, bzw. neu gemastert. Einige Songs gibt
es vielleicht in anderen Versionen irgendwo auf unserer Homepage als mpeg. Zum
Beispiel „Die wichtigsten Gründe“, unser feministischer volkstümlicher Schlager,
der ist komplett neu interpretiert. Wir wollten ein Lied so hinkriegen und ein
Genre so imitieren, dass es auf Radio Steiermark laufen könnte, ohne dass
irgendjemand Verdacht schöpft, es sei denn, er – oder besser sie – hört sich
den Text genau an.
Nein. Es
sind eigentlich Imitationen oder Variationen. Ein Typ, der Elvis imitiert,
macht sich ja nicht über den King lustig. Auch wenn er 50 Kilo zu viel hat, es
ist immer noch der Spirit, der Pathos dabei. Und das ist eine alte
monochrom-Sache. Unser Motto könnte ja fast lauten: „Wir brauchen ein
ordentliches >Dazwischen<“
Was will
monochrom eigentlich damit? Was ist monochrom? Mir kommt vor, monochrom nimmt
den ganzen Output, der auf der Welt so kursiert, zeigt mit den Finger hin und
sagt „Schaut’s euch den Schas an“.
Bis zu
einem gewissen Grad stimmt das auch. Das heißt dann Analyse! (lacht)
Seid ihr
Analytiker und Analytikerinnen?!
Also ich gehe
davon aus. Viele von uns kommen ja aus einem akademischen oder
semi-akademischen Umfeld. Wir haben ja alle den akademischen Blick
eingetrichtert bekommen, und die Idee ist schon auch, diesen Blick wieder aus
uns raus zu kriegen. Denn dieser wissenschaftliche Blick ist ja etwas unglaublich
Vernebeltes und Vernebelndes, obwohl er gleichzeitig behauptet, die Wahrheit
aufzudecken. Bullshit. Das Wissenschaftssystem ist ja nichts als Ideologie.
Was auch
interessant ist, ihn auf Dinge anzuwenden, wo ihn niemand anwenden würde.
...aus
dem Kontext nehmen, oder zwei Systeme aneinander führen, die eigentlich nicht
zusammen gehören. Ich denke da vor allem auch an das wunderbare Gstanzl „De
oide Celtic Frost“.
Ganz genau!
Was unterscheidet volkstümlichen Schlager und Black-Metal, außer das
Selbstverständnis der Leute, die das hören? Warum kommen sich Metal-Typen
besser vor als die Typen die Volksmusik hören, und umgekehrt? Die stecken ja
auch nur in der selben Warenform fest.
Bei dem Celtic Frost-Beispiel gibt’s aber noch einen besonderen Hintergrund – es gibt ja diese ganze neue Szene am neuen Wienerlied – die den ganzen Gestus nehmen und ihn neu interpretieren, und dabei manchmal genauso grauslich sind wie das ganze altvatrische Zeug. Also zum Teil auch genauso sexistisch oder heimatverdorben sind. Da kann man sagen, OK, die haben das Genre neu-entdeckt, aber dazugelernt haben’s a ned wirklich was…
Text & Fotos: Daniel Eberharter
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Auf
Carefully Selected Moments sind aber nicht nur Volkslieder mit bemerkenswerten
Texten drauf, nein nein. Weitere Songs heißen zum Beispiel: Killing Capitalism
with Christmas (feat. Gerald Votava und GameJew), Farwell to Overhead, Hello
Lando, Let’s Network it Out und das ausgesprochen gute Stück Lidl Girl.
Erschienen
ist die CD/Doppel-LP bei TROST.
Am Dienstag, dem 10. Juni gibt’s die Präsentation im Ost-Klub, 21 Uhr. Mit live-Gemucke.
Oh, und wir verlosen natürlich 3 Stück der CD. Einfach ein Mail an win@vice.at schicken und wissen, aus welchem Film die Kappe vom Johannes Grenzfurthner stammt. Science-Fiction-Nerds und Menschen mit Computerführerschein könnten das wissen.
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Und hier als Draufgabe noch Parolen für die Kühlschrankmagnetpoesiepuzzles (aus Garz feat. Der Schwimmer):
Wir zwingen
den deutschen Hip-Hop in die Knie.
Mehr Geld
fürs Internet.
Hoch die
internationale Konnektivität.
Vorsprung
durch Kulturtechnik.
16-jährige
Dark Waver, wir kommen um euch zu holen.
Keine Macht
für Heinz aus Wien.
Keine Macht
für den Psychiater von Brian Wilson.
Keine Macht
für SMS-Scheidungen.
Keine Macht
für Idiosynkrasien, außer sie bringen die Menschheit weiter.
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